Vortrag mit 24 Bildtafeln
Deutsche Fotografische Akademie - Tagung in Hamburg

Bilder aus Arkadien

Meine Intentionen zu den Bildpaaren dieses Vortrages basieren auf dem Sinn der Andachtsbilder des 14./15.Jahrhunderts. Andachtsbilder bieten im Gegensatz zum Kultbild des öffentlichen Raumes die Möglichkeit der privaten Nutzung. Andachtsbilder waren in der Regel zwei Tafeln die mit Scharnieren verbunden waren und so zusammengeklappt transportiert, oder zur Betrachtung überall aufgestellt werden konnten. Also so wie wir heute unsere Laptops aufklappen und unser Andachtsbild als Bildschirmschoner auf unserem digitalen Andachtsapparat anschauen können. Doch dazu später mehr.
„Bilder aus Arkadien“
Arkadien benennt eine fiktive griechische Landschaft auf den Peleppones. Arkadien wurde „erfunden“ von dem römische Dichter Vergil mit seiner Fiktion, eines poetisches Traumlandes, das auf eine idealisierte Welt der verweist, die von Satyrn, dem Pan, dem Faun, Gesang, Poesie, Liebe, Idylle, Hirten, und Schäfern bewohnt war. Hier lebte die Tugendhaftigkeit und Genügsamkeit in einer Landschaft die sich durch Unberührtheit und Natürlichkeit auszeichnet. Das Ziel des arkadischen Augenblicks lebt für den Moment uns aus dem Willen zum Glück und vergegenwärtigt dem, der ihn findet, ein Gefühl für das, was bleibt. Ihren Höhepunkt erreichte die arkadische Schäferei im Barock und Rokoko. In dem Begriff des „Schäferstündchens“ hat sich diese arkadische Ambivalenz aus Unschuld und Laszivität bis heute erhalten.

Zu Anfang des 17. Jahrhunderts schrieb der italienische Maler Francesco Guercino „Et In Arcadia Ego“ unter einen am Boden liegenden Totenschädel, den zwei junge Hirten ergriffen betrachten. Die lateinische Inschrift will sagen, dass der Tod auch um Arkadien keinen Bogen macht. Sie gemahnt die beiden Hirtenknaben an die eigene Vergänglichkeit. Insofern handelt es sich um ein vertrautes Symbol des „memento mori“ (bedenke dass du sterben musst), das auch in meinen Fotos immer wieder erscheint. Durch den Bezug auf Arkadien anstelle des realen Lebens erhält dieses Gedenken der Vergänglichkeit alles Irdischen jedoch eine neue Bedeutung: Es symbolisiert ein Bewusstsein, das sich mit der Erschaffung Arkadiens von der unbefriedigenden Gegenwart Distanzierte. Jedoch nicht im Sinne von Flucht, sondern von „Carpe Diem“ (Horaz), einem typisch arkadischen Denken für ein Leben, das nur im JETZT stattfinden kann.
       
Diese Ambivalenz spiegelt sich auch grundsätzlich in Fotografien wieder. Sie sind primär ein Gedankenkonstrukt von Gestern oder für Morgen, und doch beziehen die Fotos (so es denn gewollt ist) ihre intuitive Lebendigkeit aus dem Moment des Jetzt, dem Moment des Auslösens. Kommen mir später Zweifel an diesen Momenten, fürchte ich mich davor, dass ich den Geist des Originals verloren haben könnte. In diesen Situationen begebe ich mich auf die Reise nach Arkadien, um für mich selbst und meine Bilderwelt Orte zu schaffen. Es entsteht ein Zustand des in sich selbst zurückziehens. Orte spielen dabei für mich eine wichtige Rolle als Konstanten, in denen ich Bezüge zu meinen Ursprüngen herstellen kann. Mein fotografischer Orts - Sinn wird zu einem Bindeglied zwischen den offensichtlichen Bildern und den Geschichten um die Bilder herum. Orte sind für mich wichtig, damit die Bilder die ich finde nicht selbstständig werden. In meinem Orts - Sinn bleiben die Bilder präsent, schweigsam, unmerklich wirksam und deswegen auch offen für eine andächtige Betrachtung. Die bevorzugten Orte, in denen ich meine Ursprünge zu finden glaube sind die, in denen ich spirituelle Stille finden kann.

Der Maler Cezanne schrieb einst in sein Tagebuch „Gerade jetzt fliesst ein Augenblick vorbei! (...) Wir müssen dieser Augenblick werden“. Er meinte damit nicht die Fixierung des Augenblicks, sondern sich intuitiv in diesem Augen - Blick treiben lassen und aufhören, Bilder nach Orientierung und Information abzuscannen. Denn das eigentlich Bedeutende für uns ist die verborgene Wirklichkeit. Das was wir sehen sind nur ihre Referenzen, Symbole und Zeichen.
Hier entsteht auch die Brücke zum Andachtsbild. Das berühmteste Andachtsbild ist die PIETA, ein aus der Beweinungsszene heraus gelöstes Motiv. (Aber auch Christus mit der Dornenkrone “Ecce Homo“, „Sehet da ist der Mensch“ - Einheitsübersetzung). Andachtsbilder vermittelten verborgene Wirklichkeiten, wie den Glauben an Gott, Himmel, Hölle, Auferstehung usw. und gleichzeitig deren menschliche Greifbarkeit durch Symbole. Die Parallel zu den verborgenen Wirklichkeit in fotografischen Bildern waren meine Motivation Fotografien als Andachtsbilder zu erstellen.

1. Fotografien verlangen aus den bekannten technischen Veränderungen heute mehr Glauben denn je.  Sie scheinen daher mehr darauf abzuzielen, uns zu beeindrucken als zu überzeugen.
2. Wegen der bekannten technischen Veränderungen fehlt uns die Unterscheidungen dafür, was ein Bild ist und was ein Bild zu sein scheint.
3. Die Imagination fotografischer Bilder scheint sich aus den bekannten technischen Veränderungen unter einen virtuellen Schleier zu begeben, der die Unterscheidung zwischen der Visuellen -(Sinnenreiz) und dem Bild als Symbol (Idolatrie= Bilderverehrung) deutlich erschwert.

Die Bilder aus Arkadien visualisieren den Versuch einer fotografischen Annäherung an die Ursprünglichkeit der Intuition, um das zu Erfahren was ich mit dem Verstand nicht kontrollieren kann. Dabei enthüllt sich ein oder das Paradox in der Fotografie: Dass Bilder im Tiefsten das verbergen, was sie vorgeben zu zeigen. In den Reisen nach Arkadien entsteht ein Zeitempfinden dass über kontemplative Erfahrungen, - Stille erzeugen kann. Einer Stille, die wie ein Filter auch im Sucher meiner Kamera spürbar wird. So entstehen immer wieder intuitive, fast absichtlose Bilder auch dann, wenn sich Bilder und Gedanken nicht so einfach abschalten lassen. Dieser Prozess kommt dem Empfinden im Zen-Buddhismus  sehr nahe.  - Das Bild wird zuerst erkannt durch das Sein und dann durch Sehen. Diese Erfahrung beim fixieren des Bildes in der Kamera fühlt sich an, - wie das Festhalten einer Welle im Ozean.
Bildlich gesprochen meint das, ich möchte gerne die Welle erkennen auf welcher ich im Ozean treibe, - allein ich bin die Welle selbst.
 



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